Über unsere Überwinterung im Hafen von Marina di Ragusa – Sizilien 21/22
Im November letzten Jahres sind wir von Sirakusa nach Marina di Ragusa gesegelt, da wir Positives über die sichere Bauweise, den Ort und die Umgebung und die Seglergemeinschaft gehört hatten.
Der Entschluss zu bleiben fiel recht schnell, auf der einen Seite waren wir von Größe und Pflegezustand des Hafens beeindruckt, auch gefiel uns die Option , dass wir für den Preis sowohl nur 3 Monate als auch bis Mitte Mai bleiben konnten.
Die Atmosphäre im Hafen war ausgesprochen freundlich, jeder grüsste jeden, viele Segler pflegten untereinander regen Kontakt, das Personal war hilfsbereit und wir: lagen erst einmal ziemlich ab vom Schuss ganz am Ende einer L-Pier, um uns herum die Nachbarboote verwaist und ich erst einmal fremdelnd.
Es ist eine große Umstellung, nach monatelangem zu zweit sein wieder in ein „Seglerdorf“ einzuziehen, und während ich auf der einen Seite gerne Kontakte pflege, stellt sich doch die Anfangsfrage: „Wie und mit wem?“
In Alvor waren die Voraussetzungen andere, alle waren mehr oder weniger in einer Notlage und die Gruppe war sehr überschaubar. Hier schien es eine unüberschaubare Gemeinde zu geben, welches Boot ist bewohnt, welches zur Zeit nicht, wer gehört auf welches Boot, welchen Steg, Name, Partner – zu Beginn habe ich vieles aufgeschrieben, um nicht gleich alles zu vergessen oder zu verwechseln.
Mit zunehmender Verweildauer wurde dieses komplexe System transparenter und verschiedene Begegnungen in unterschiedlichen Gruppen und Settings zeigten mir verschiedene Facetten dieser neuen Bekanntschaften.
Aber noch mal auf Anfang: Was machte ich aus diesem Fremdeln?
Ich fing mit einer Morgenroutine an, die mich seit unserer Reise in jedem Land empfängt: auch ich marschierte strammmen Schrittes zum Küstenweg und nahm das Meer mit seiner Dünung, Farbenspiel und Wetterlage in mich auf – dann ein schönes Frühstück – super Beginn des Tages.
Zunächst erkundeten wir nach und nach die Versorgungssituation des Städtchens Marina di Ragusa, holten Informationen ein, wo die Segel zur Wartung und durchgesessene Polster erneuert werden konnten, Hans gab Bestellungen auf, da wir endlich wieder eine feste Lieferadresse hatten,
so kam ein neuer Ultra- Anker an Bord und ein neues Trampolinnetz.
An sonnigeren Tagen radelten wir zum nahegelegenen Naturschutzgebiet Richtung Donnalucata , oder erforschten die Wege um Punta Seca und Abschnitte im Hinterland, die man als Folien überdachte Fläche von fern schimmern sah.
All zu lange hatten wir auch gar nicht Zeit, denn wir freuten uns auf fast vier Wochen des ersten Deutschlandurlaubs – unseren Sohn Leon wieder zu sehen, „alte“ ArbeitskollegInnen und Freunde zu treffen – obwohl das Gespenst Covid noch aktiv war.
Diese Wiedersehen waren Balsam für meine Seele, ich war energetisiert und freute mich auf jede Begegnung.
Kaum war mit Freunden Silvester gefeiert, fuhren wir per Zug nach Rheinland – Pfalz, besuchten Hans und meine Ursprungsfamilien und „uralte“ Freunde im Saarland.
Vielen Dank für alle gegenseitigen Besuche, den tiefen Austausch , das Lachen.
Ich bin „satt „geworden, mit immer mal wieder aufflammendem Herzschmerz, aber auch innerlich beruhigt weil ich spüren konnte, dass diese Beziehungen halten, sind wir Mitte Januar wieder nach Catania zurück geflogen.
Jetzt war unser Steg schon deutlich bewohnter, viele Segler kehrten aus dem Weihnachtsurlaub von zu Hause wieder auf ihr Boot zurück und ich nahm die Gelegenheit beim Schopf viele Aktivitäten auszuprobieren, die die Community selbst (for an apple and an egg) organisiert.
Das war z. B. freies Tanzen am Strand mit Will und Tasha aus Maine.
Das war die Wandergruppe mit holländischen Organisatoren, die wie die Gemsen die steinigen idyllischen Wege rund um Ragusa und Ibla di Ragusa erkundeten und einer internationalen Gruppe näher brachten.
Das waren schöne Gespräche auf dem Steg mit den täglichen Neuigkeiten oder Pflichten , mit unseren direkten Nachbarn- aber auch Seglerfamilien, die wir nach und nach kennen lernten.
Die Kontakte zu den verschiedenen Kids, die sich freuten, wenn ich einen Moment stehen blieb und einfach zuhörte , was sich gerade in ihrer Welt unerhörtes zugetragen hatte.
Dann das Übersetzen eines englischen Weihnachtsgedichtes ( von Clement Clarke Moore) , Sally bat mich, die deutsche Übersetzung zu machen. Verschiedene Segler waren in diesem Projekt engagiert, übersetzten und sprachen das Gedicht ein. (Endlich wieder Hirnnahrung und eine Herausforderung – aufregendes Tonaufzeichnung mit viel Spass).
Eine sich zusammenfindende Frauengruppe, die gemeinsam zum Markt ging, Rezepte austauschte und einen Aperitivo hinterher genoss.
Und eine, ebenfalls von Sally iniziierte Burlesque-Tanzgruppe, die uns Frauen , durch Morena angeleitet […], so viel Zartes und Powervolles durch Bewegung vermittelte und uns in unserer Weiblichkeit stärkte.
Verschiedene Spaziergänge mit Menschen die offen sprachen und mit denen ich so manche Idee und Reflexion teilte.
Unsere „Bay watch-Gruppe“ – Cardio und Krafttraining, das Ingrid humorvoll und gnadenlos 🙂 leitete.
Und die ungemein beruhigend und informativ geleitete Yin-Yoga-Gruppe von Jana.
Und ich habe auch ein kleines Event geleitet: eine Mal -Aktion mit gesammelte Steinen, deren Struktur mich faszinierte – statt Erwachsene , wie gedacht, kamen 7 Kinder – ein kurzweiliger, erfrischender Spass.
Es gab Einladungen zum Essen, zum sizilianische Produkte testen, Einladungen, die der Hafen für die Segler organisierte, lustige und leckere, tanzfreudige Geburtstagsfeiern und eine Begegnung der 3.Art, als ich meine Kieferorthopädin im Hafen wieder erkannte. (Mehr verrate ich hier nicht).
Durch die Vernetzung der Community via Facebook wussten wir schnell Bescheid ob jemand Hilfeleistung benötigte, etwas evtl. Wichtiges zu verkaufen, verschenken hatte, unter der Pagode, wurde gerne geschaut, ob Kleidung, Elektrik, Küchenutensilien zum freien Mitnehmen, je nach Bedarf auslagen. Für uns beiden „Receycler“ bot sich manch schöne Überraschung.
Besuch in Ibla di Ragusa
Besuch in Modica
Besuch in Noto
Im Tal der Tempel bei Agrigento
Die türkisenen Stufen , Scala dei Turchi
Wenn ich jetzt so summiere:
WOW – welch ein Winter
„ Wir können nicht den exakten Moment benennen, in dem eine Freundschaft entsteht.
Wie ein Krug, der Tropfen für Tropfen gefüllt wird,
bis ein letzter Tropfen ihn zu Überlaufen bringt,
so gibt es bei einer Freundschaft eine Vielzahl von Freundlichkeiten
bis zu jener,
die das Herz zum Überlaufen bringt.“
James Boswell, schottischer Schriftsteller, 1740-1795