Ich sitze an Bord der haipule im diesjährigen Überwinterungshafen Monastir-Tunesien.
Die Sonne scheint bei 25 Grad und ich fasse meine wesentlichen Eindrücke vom Sahara – Festival zusammen, das alljährlich vom 22.-25- Dezember statt findet.
Gemeinsam mit 3 weiteren Seglern – Andrea und Jürgen aus Deutschland und Markus aus der Schweiz sind wir mit einem Mietauto gestartet um die ca. 450 km. nach Douz , dem“ Tor zur Wüste“ zu fahren.
Wir hatten 3 Übernachtungen im grosszügig gebauten Hotel El Mouradi gebucht. Ausser An- und Abreisetage hatten wir zwei ganze Tage für das Sahara – Festival zur Verfügung.
Unser Pflegekätzchen Monni, das wir von Mitte Dezember bis Mitte Januar betreuen, wurde an eine freundliche Seglerfamilie im Hafen zur „Zwischenbetreuung“ abgegeben. Vielen Dank an die Besatzung der Indinini
Douz ist im Süden des Chott Djerid Salzsees gelegen und die Landschaft wurde zunehmend flacher, vegetationsloser, steiniger um dann vor Douz von Palmenhainen und Dünenabschnitten gesäumt zu werden.
Ein Warnschild, dass Kamele queren könnten haben wir lächelnd zum 1. Mal gesehen, kurz danach stand auch eine kleine Kamelherde unweit entfernt in der kargen Landschaft.
Als wir Douz in der Dämmerung durchfuhren zeigte sich die Stadt quirlig und lebhaft. Nach dem Einchecken ließen wir uns ein üppiges Mahl in einem Restaurant schmecken und fielen erschöpft ins Bett.
Da es insgesamt 9 Lokalitäten für sportliche und musikalische Darbietungen, Ausstellungen und Kulturtreffen gab, pendelten wir am nächsten Tag.
Am Vormittag zum Marktplatz innerhalb der Medina Douz, dem Place des ARTS zur nah an der El Hofra Düne gelegenen Place HNICHE nachmittags.
Der Place des ARTS war dicht bevölkert, von vielen Zuschauern, die das Zentrum mit den musikalischen , akrobatischen und tänzerischen Aufführungen umstanden. Ausserhalb dieses grossen Kreises warteten Kunsthandwerksläden auf Kundschaft.
Zuckerwatte, Luftballons, bunt geröstete Mandeln und Popcorn machten die Jahrmarktsatmosphäre perfekt.
Auch Kamele, Pferde, Esel, alle feierlich herausgeputzt warteten auf Kinder, die einen kleinen Ritt wagen wollten.
Wir genossen das „Bad in der Menge“, als wir dicht gedrängt den Darbietungen lauschten und genau wie viele Tunesier mit leuchtenden Augen farbenprächtige Kostüme, aufwändige Haartrachten und Choreografien bestaunten.
Nicht alle Gruppen stammten aus Tunesien wie uns ein freundlicher Zuschauer aufklärte – es sei ein interkulturelles Fest verschiedener Nomadenstämme.
Die Farben der Kostüme waren hauptsächlich : orange, rot, weiss, hellblau – nur eine Gruppe alter Männer trug hellbeige mit dunkelbraun und schwarz.
Die Musikinstrumente waren der Mezoued ( Dudelsack), die Bendir Rahmentrommel und grosse tiefe Trommeln sowie verschiedene Flöten, Ney genannt. Es erklangen Tamburine, Riqq genannt, und Bechertrommeln ( Darbouka.) Nicht gesehen und gehört, aber der vollständigen Aufzählung tunesischer Musikinstrumente wegen genannt werden sollten noch Violine, Laute (Oud) und die Zither (Quanun).
Manchmal kamen im Verlauf auch Tücher und Stöcke tänzerisch zum Einsatz.
Begeistert vom Vormittag wanderten wir nachmittags zum grossen Festplatz „an der Düne“, vielleicht ca. 2 km von Douz entfernt.
Wir setzten uns etwas entfernt von der Tribüne auf den Kamm eines ringsum aufgeschütteten Sandwalls – der Saharasand ähnelt übrigens eher feinem ockerfarbenem Staub, entsprechend wandert er auch durch die Kleidung und der traditionell gebundene Turban hilft das Gesicht und Augen, Ohren, Mund vor seinem Eindringen zu bewahren und schützt den Kopf vor der Sonne.
Die Show startete deutlich später als angekündigt, aber wir waren von den Gesichtern der Passanten und der Akteure so eingenommen, dass dies keine Rolle spielte.
Viele Gruppen stellten sich den Zuschauern vor, immer wieder begleitet von den Musikgruppen die wir bereits am Vormittag sahen.
Es gab Reitervorführungen, Pferderennen, Kamel- Wettlauf und Windhundjagd.
Zum Amüsement der Zuschauer riss ein Windhund genau in die Gegenrichtung der Läufer aus, so als wolle er demonstrieren, dass er keine Lust mehr auf diese Hetzjagd auf ein Fell habe.
Am eindrucksvollsten bleibt für mich die „Prozession“ aller Teilnehmer und Zuschauer zurück stadtwärts, als die Sonne unterging und die Landschaft in ein pastellfarbenes, milchig dunstiges Licht tauchte.
Auf der dichtgedrängten Strasse liefen, fuhren, ritten, fröhlich laut und begeistert hunderte von Menschen.
Motorräder, Autos, Erwachsene , Kinder, Pferde, Ziegen, Kamele, Vergangenheit und Gegenwart in Coexistenz in eine Richtung strömend – ich konnte nur staunen, dass dies alles ohne Regularien seinen Flow fand, obwohl zuvor mit hohem Polizeiaufkommen der Festplatz gesichert wurde.
Vor dem Gang ins Hotel gönnten wir uns in einem Strassenlokal Harrissa -gefüllte Brote, die in erhitzten Fässern gebacken werden. Dazu gesüßten Pfefferminztee – eine spannende und hier übliche Geschmackskombination.
Abends im Hotel lernten wir Rida kennen, einen an Sprachen und seinen Gästen interessierten Hotelangestellten. Hans testete das Wasserpfeife rauchen, tabakfrei, Apfel- und Pfefferminzaroma hat er ausprobiert.
Am nächsten Morgen, nach einem üppigen Frühstücksbüffet starteten wir mit Andrea und Jürgen zum Sahara- Museum Douz, Markus traf sich derweil vor Ort mit einem Saharaguide, um Informationen über mehrtägige Kameltouren ins Sandmeer des Grand Erg Oriental einzuholen.
Wir sollten uns abends wieder treffen.
Während in einem Zelt verschiedene Kunsthandwerker und Spezialitätenhändler ihre Stände aufgebaut hatten, war im Innern des Museums Nomadenkultur mit aufgebautem Zelt und vielen Informationen zur Lebensweise zu erkunden.
Die Wüste im Südwesten Tunesiens wird Nafzaoua genannt. Die vier großen Nomadenstämme heißen: Mrazig – Adhara – Gherib Sabriya – OuledyYacoub.
Ein freundlicher Museumsmitarbeiter schilderte uns detailreich das Nomadenleben, das noch bis in die 70iger Jahre aktiv war. Wo neben dem Zelt Kamele, Schafe und Ziegen gehalten wurden.
Heute werde diese Lebenskultur fast nur noch in den kühleren Monaten gelebt, im Winter, da der extremen Hitze der Rückzug ins Haus und das Leben mit Annehmlichkeiten und Elektrik normal geworden sei.
Das Zelt, auch „ Haar- Haus“ genannt, wird aus Schafswolle und Ziegenhaar gewebt,
ist meist 6 bis 8 Meter lang, 3-4 Meter breit und ca. 2 Meter hoch.
Die gewebten Bänder aus denen es zusammen genäht ist, werden ca. 50 cm. breit gewebt, in den südlichen Stämmen dominiert die Farbe schwarz, sie symbolisiere Mut und Stolz.
Die Ränder dieser Streifen sind hell.
Ein Zelt für ein junges Ehepaar würde mit mehr als 4 Streifen beginnen, um etwas Lebensraum vorzuhalten, aber mit jedem Kind sei das Weben und Anbringen von 2 Streifen obligat.
In der Mitte und an beiden Seiten werden als Verstärkung innerhalb des Zeltdaches 20-40 cm breite Webbänder angenäht, diese tragen die Zeichen des Stammes bzw. der Bewohner.
An 3 Seiten sei das Zelt mit zusammengetragenen Dornenbüschen umlegt worden, um Wind und Tiere abzuhalten, denn es stand ja inmitten der Herde seiner Besitzer.
Der Boden wird mit Teppichen ausgelegt, und Teppiche werden ebenfalls zum Trennen der linken.„Frauen-Seite“ und der rechten „Männer-Seite“ in der Mittelbahn des Zeltes angebracht.
Frauen und Kinder schliefen entsprechend links, der Hausherr rechts. Er empfing auch den Besuch nur auf dieser Seite. Das Leben in früheren Zeiten sei stark von Verhaltensregeln und Ritualen geprägt gewesen.
So hätte sich ein Besucher einem Nomadenzelt nur aus dem rückwärtigen Bereich angenähert, sich geräuspert, um seine Ankunft anzuzeigen. Die Familie im Inneren hatte damit Gelegenheit die gewebten Sichtblenden anzubringen und die Besucherseite vorzubereiten.
Der Hausherr empfing den Besuch, die restliche Familie wurde verborgen und damit geschützt.
Selbst die Bewirtung der Gäste erfolgte durch diese Teppichwand, über den Boden in einer flachen Schale hereingeschoben und wieder herausgezogen.
Als eine weitere Besonderheit schilderte der Museumsführer die nonverbalen Zeichen bei der Anfrage eines ehewilligen jungen Mannes. Wenn er um die Hand der Tochter seines Gastgebers angehalten habe, so wurde ihm entweder – zustimmend- ein weisses Getränk, oder – ablehnend- ein schwarzes Getränk z.B. Kaffee gereicht. In Worte gefasst wurde diese Reaktion des Gastgebers nicht, um keinen Konflikt oder Kränkung auszulösen.
Bei einem weissen Getränk durfte der Bewerber wiederkommen und der Brautpreis wurde, ohne der Tochter ansichtig zu werden verhandelt. Die Altersspanne des Bräutigams lag bei 20 bis 22 Jahren, die der Braut bei 14 bis 15 Jahren. Nach dem aufwändigen Hochzeitsfest wäre die Braut mit zum Stamm des Mannes gezogen, der auf der linken Seite des Zeltes seiner Mutter ein neues Zelt aufgebaut habe. Die Familie der Braut hätte als Ausgleich viele Kamele und Nutztiere erhalten.
Dabei geht es mir nah, dass diese jungen Mädchen sich komplett in eine neue Umgebung und Familie integrieren mussten, in der Hoffnung, dass sie sowohl mit dem unbekannten Mann an ihrer Seite harmonieren, als auch mit einem anderen Stamm. Ein sehr frühes Erwachsen werden (müssen).
Neben den einfachen und zweckdienlichen Haushaltsgeräten um zu Kochen und Brot zu backen, zeigte die Ausstellung weiterhin einen Standwebstuhl auf dem Teppiche, Decken und Stoffe aus Wolle gefertigt wurden. Ein schmaler, liegender Webrahmen diente der Herstellung der Zeltbahnen und der Verstärkungsstreifen aus Ziegenhaar.
Verschiedene Gewänder für Männer und Frauen wurden in Vitrinen ausgestellt, darunter auch die farbenfrohe Kopfbedeckung und das prächtige Gewand einer Braut zum Hochzeitsfest.
Die Armreifen , geknüpfte Gürtel und selbstgefertigter Schmuck nutzten die Frauen genauso zur Zierde wie die einfachen Tätowierungen des Gesichtes, gleichzeitig Schutzsymbole und Stammeszugehörigkeit zeigend.
Einfache Symbole wurden beim Brandmarken der Jungkamele an verschiedenen Körperteilen eingesetzt, um den jeweiligen Besitz zu kennzeichnen.
Erhellend war, dass wir im Museum von einer jungen tunesischen Besuchergruppe umringt wurden, die offensichtlich über uns scherzten. Als ich in meinem nicht gerade flüssigen Französisch nachfragte, ob wir wirklich so exotisch aussähen, kam eine hübsche Tunesierin auf mich zu, umarmte mich freundschaftlich und sagte in bestem Englisch:
„Verlass Dich darauf, meine Liebe, Ihr seht exotisch aus!„
Diese freie, humorvolle Kontaktaufnahme haben wir häufiger erlebt.
Am Nachmittag waren wir uns mit Andrea und Jürgen einig einen Kamelausritt zu wagen, passend zum Vormittagsthema Nomadenleben.
Für ca. 8 Euro ging es mit jeweils 1 Saharaguide und zwei zusammengebundenen Dromedaren zum Ausritt. Die typischen gesteiften Gewänder über die vorhandene Kleidung gezogen und den Kopf mit Turban gegen Sonne und Sand geschützt lernten wir zunächst einmal oben sitzen zu bleiben. Während das Dromedar erst auf die Hinterbeine kommt, dieses schubst den Reiter erst nach vorn und unten, dann erst stellt sich das Kamel auf die Vorderbeine zum Stand – und plötzlich schwebt man 2 Meter über dem Erdboden.
Da Kamele im Passgang gehen schwankt der Reiter von links nach rechts , wiegend hin und her, von der Eleganz der zuvor beobachteten Kamelreiter am Vortag wich meine Wirklichkeit deutlich ab. Aber es hat Spass gemacht und mir die Geschicklichkeit der Reiter erneut verdeutlicht.
Die zunehmende Stille in der ockerfarbigen weiten Landschaft, die wellige Struktur der windgestalteten Dünen lies den Vergleich „Wüstenschiff“ aufleuchten.
Dieser kurze Ausritt hat Lust auf mehr gemacht, die Idee ein längere Wanderung durch die Wüste zu machen keimte auf und wird vielleicht im neuen Jahr umgesetzt werden.
Der Tag endete mit einem weiteren Abendessen im Zelt, nahe der Strasse und einem fröhlichen, zu fünft verbrachten Abend in der Hotelbar.
Am nächsten Tag sind wir die direkte, schnelle Strecke über die Küstenautobahn nach Monastir zurück gefahren, um am 24. 12. mit Monni gemeinsam Weihnachten zu feiern.
Die Wege der Weisheit führen durch die Wüste
Zitat der Beduinen