Der Portugal und Spanien verbindende Fluss wird für mich immer ein besonderes Naturerlebnis bedeuten. An seiner Mündung, zwischen Vila Real de Santo Antonio (Portugal) und Ayamonte ( Spanien) führt er vom Atlantik in gemütlichen Flussbiegungung ins nördliche Hinterland der iberischen Halbinsel. Zuerst wirkt er breit, führt salzhaltiges Wasser, das Ufer sieht bei Ebbe eher nach Elbe oder Stör aus, als typisch südländisch. Wenn man den Nervenkitzel der Durchfahrt unter der Autobahnbrücke der A 49 geschafft hat, (es wird gemahnt bei Ebbe hindurch zu fahren, dann sind mindestens 20 Meter Freiraum garantiert), steigen die Hügel der beiden Grenzländer zunehmend an. Zunächst noch spärlich bewachsen, werden die Mandel- und Olivenanpflanzungen dichter, Schilf wechselt zu meterhohem Bambus und die Flusswasserfarbe tendiert ins undurchsichtig braune, er führt Süsswasser, in dem sich auch, an der Badeleiter festgehalten, vorzüglich baden lässt. Die Besiedelung ist sehr spärlich, viele Gehöfte stehen nur noch als lichte Ruinen an den Hängen.


Angrenzende Ortschaften auf der portugiesischen Seite sind: Foz de Odeleite ( Mund der Freude) mit Stausee, Montinho das Laranjeiras ( Hügel der Orangenbäume) mit grossem Bikercafe und sehr einfacher Gaststätte. Schon ab Laranjeiras ankern vermehrt Segelboote im Fluss, viele den ganzen Winter über, manche mit Lifeaboards aus England, Holland, Deutschland. Während die Ränder von Portugal und Spanien zwischen immer höheren Flussufern zusammenrücken, nähert man sich einer malerischen Kulisse zweier in die Hänge geschmiegten Städtchen, Alcoutim (port.) und Sanlucar de Guadiana (span.). Alte Festungen, Burganlagen, Ölmühlen, sind durch malerische und gut befestigte Wanderwege zu erklimmen, es ergeben sich reizvolle, immer wieder neue Ausblicke auf die Flusswindungen und die darin ankernden Schiffe.

Wir haben uns am Ende unseres Aufenthaltes im Fluss noch einmal Pomerao angesehen, die Stege dort sind so rudimentär befestigt und spärlich, dass wir Glück hatten einen Platz zu ergattern. An der spanischen Seite gibt es zahlreiche stillgelegte Eisenbahntunnel und eine grosse gemauerte Erz Verladestation, die imposant den Fluss überragt. In Pomerao verbindet der kleine Rio Chanza den Stausee Barranco dos Azeite mit dem Guadiana. Im Ort geht es gleich sehr steil den Berg hinauf zu alten Arbeitersiedlungshäusern die zerfallen. Durch die Pandemie bedingt waren alle Cafes und das Restaurant geschlossen. Der Rio Guadiana ist bis Mertola schiffbar, da wir aber von Felsen wussten, die im dunklen Flusswasser kaum auszumachen sind, haben wir uns diese, bestimmt auch interessante Wegstrecke erspart.



Da außer etwas Viehzucht ( Schafe, Ziegen, Geflügel) und Landwirtschaft wenig Verdienstmöglichkeiten direkt an den Flussufern möglich sind, wirkt diese Landschaft weitestgehend aus der Zeit gefallen ,“vergessen“, natürlich, unverstellt, zeitweise gibt es keine Mobilfunkverbindung, es tauchen keine Autos auf, wir hören Vogelgezwitscher, Eselschreie, Hundegebell, asynchrones Glockengeläut, das sich auch nicht an die normale Uhrzeit hält, aber zum Ambiente passt. Vermutlich ist durch die Lockdowns in 20/21 und den entgangenen Tourismus die Abgeschiedenheit verstärkt worden. Auch die Dörfer wirken leer, vereinsamt, überaltert.

Als wir am 01.05.21 den Rio Guadiana hinaufgefahren sind, hatten wir, außer dem Interesse ihn kennenzulernen auch ein Ziel, wir wollten zwei Segler und Auswanderer auf Zeit kennenlernen, Alex und Ursula, die sich ein Grundstück auf der spanischen Flussseite gekauft haben und in den Anfängen vieler Veränderungen steckten. Beim ersten Besuch wurden wir freudig begrüsst, herum geführt, zum Essen eingeladen. Von einer Minute auf die nächste waren wir nach dem Begeisterung auslösenden Rundgang und unserer gezeigten Motivation „mitzumischen“ ins frische Gartenprojekt integriert. Wir lernten im gemeinsamen Tun Dörte und Jens kennen, und meist zu sechst, oder zu siebt schafften wir in 5 Tagen erstaunlichen Fortschritt im Abholzen von Kakteen und Yuccapalmen, Baumrückschnitt, Abtransport bereits geschnittenen Schilfs usw. Es wurden Maschinen gewartet oder repariert, Erde zum Bepflanzen vorbereitet. Am Nachmittag gab es für alle ein von Ursula zubereitetes schmackhaftes Mittagessen, die entspannte Pause nutzten alle zum Austausch und zum vertieften Kennenlernen. Am Ende der Woche fuhren die Männer gemeinsam in den Baumarkt, wir Frauen gestalteten einen Wohlfühltag mit Qigong und Yoga, Essen und Gespräch für uns.



Mittlerweile läuft die Wasserversorgung des Grundstücks über Solarpumpe und Ursula hat die leichten Metalldrahtzäune mit Bambusstöcken (gegen die Wildschweine) verstärkt, viele Samen gesät und Paprika, wie Tomatenpflanzen wachsen sichtlich gut.
Diese intensive und gemeinschaftliche Woche wird Hans und mir intensiv im Gedächtnis bleiben, wir behalten das Projekt von Ursula und Alex im Blick.
Weitere Highlights im Rio Guardiana waren: der Besuch von Hans Vater Norbert von Mitte Mai bis 10. Juni 21. Endlich ein vertrauter Besuch von zu Hause! Gemeinsames Essen, Canastaspiele und Gespräche waren jetzt vorrangig. In der letzten Guadiana-Woche kamen viele uns aus der Winterpause von Alvor bekannte Segler in den Fluss : Kurt und Silke, Jan, Matthias und Luisa. Schön, sie alle wiedergesehen und den Kontakt erneuert zu haben.
Bei allen Aktivitäten, Anforderungen hat mir die Natur des Guadiana geholfen mich zu erden, Momente des Rückzugs und der Stille, eingebettet in diese unverfälschte Natur zu erleben. Das Erkunden neuer Wanderwege, die Fotosessions in der Natur und die ruhige Präsenz alter Bäume in diesem Gebiet waren nährend, klärend, heilsam. Ich danke Dir dafür Rio !



The world is full of magic things, patiently waiting for our senses to grow sharper.
(W.B. Yeats)